Ein Interview mit Jean-Marc da Costa in der luxlumina DEKO 2018/2019 von Chefredakteur Sven Horsmann.  Lesen Sie den Artikel online bei luxlumina.ch oder gleich hier:

IST ES SCHMERZHAFT, 30 JAHRE KREATIVITÄT FÜR LEUCHTEN AUFZUBRINGEN?

Nein, ganz im Gegenteil. Der kreative Part, die Auseinandersetzung mit dem Entwurf ist genau das, was nach fast 36 Jahren am meisten Spass macht. Nervenaufreibend ist eher das Jonglieren zwischen Kreativität und Unternehmertum, etwa die Auseinandersetzungen mit Banken oder Lieferanten, die auch zum Herstellerdasein gehören.

WIE TOLL IST ES ANDERERSEITS?

Ich fühle mich noch immer wohl im kreativen Prozess und im Engineering und finde es eher schade, dass man als Hersteller viel weniger realisieren kann als man möchte. Ich würde meinen Kreativitätsvulkan gerne noch viel stärker ausbrechen lassen! Deswegen entwerfen wir ja immer wieder Produkte auch für andere Unternehmen.​

SERIEN.LIGHTING HAT DIVERSE TECHNOLOGISCHE ENTWICKLUNGSSTRÖMUNGENMITGEMACHT. ENDEDER 1980ER-JAHRE WAR HALOGEN DAS MASS DER DINGE. WIE HAT EUCH DIESE ZEIT GEPRÄGT?

Natürlich sind wir ursprünglich Kinder der Halogenzeit: Ich erinnere mich noch gut an die ersten Halogen-Leuchten, die ich in Mailand gesehen habe. Sie haben mich motiviert, die eigenen Leuchtenentwürfe architektonischer und lichttechnisch anspruchsvoller anzugehen. Das leistungsstarke Leuchtmittel Halogen hat uns im Gegensatz zu Glühlampen-Konstruktionen besonders filigrane und minimalistische Entwürfe ermöglicht. Wir wurden Spezialisten darin, mit den hohen Temperaturen der Halogen-Leuchtmittel umzugehen und haben technologisch anspruchsvolle Produkte wie die SML oder die REEF entwickelt, die wir über die Jahre technisch und formal weiterentwickelt haben.

KÖNNTE MAN BEHAUPTEN, DASS DAS LED-ZEITALTER EUCH ZU MEHR KREATIVITÄT GEFÜHRT HAT?

Unser kreatives Potenzial war schon vorher unsere grösste Stärke. Durch die technologischen Möglichkeiten des LED-Zeitalters können wir unsere Kreativität jetzt aber noch vielfältiger einsetzen. Jetzt ist vieles möglich, was vorher mit der Glühlampe oder der Halogenlampe nicht möglich war. Es sind nun zwar nicht mehr extrem hohe Temperaturen, die abgeleitet werden müssen. Aber unsere technologische und formale Kompetenz hat uns natürlich auch für die LED-Technologie einen Vorsprung verschafft: Es geht jetzt noch stärker um formale Reduktion, um das Auflösen massiver Volumen und Themen wie Lichtlenkung oder Lichtbrechung, Abblendungen oder den Umgang mit Linsen. Die LED-Technologie hat eine neue Vielfalt ermöglicht. Und genau deshalb muss man aufpassen, dass die Dinge nicht beliebig und qualitativ minderwertiger werden.

JEDER LEUCHTENHERSTELLER MUSSTE SEINE ENTWICKLUNGSSCHRITTE ERST LERNEN. WIE BLICKST DU AUFDIESE TECHNISCHE UMWÄLZUNGSZEIT ZURÜCK? POSITIV UND NEGATIV?

Als Hersteller waren wir gezwungen, der neuen EU-Verordnung zu entsprechen. Das war schwierig zu meistern, aber politisch sicher die richtige Entscheidung. Schwierig war für uns als Hersteller vor allem, dass wir lange Zeit gezwungen waren, sowohl Halogen- als auch LED-Produkte parallel anzubieten. Das hat über Jahre eine doppelte Lagerhaltung und Kapitalbindung erfordert. Solange Halogen und LED einen ähnlich hohen Anteil am Umsatz hatten, war das eher eine kaufmännische als eine technologische Herausforderung. Das war anstrengend, ich sehe es auf lange Sicht aber positiv.

HEUTE UND IN ZUKUNFT WIRD LICHT AUS LED GEMACHT. AUF DER LIGHT+BUILDING HABT IHR NEUE UND WEITERENTWICKELTE PRODUKTE VORGESTELLT. WELCHE KAMEN BEIM PUBLIKUM BESONDERS GUT AN?

Wir haben auf einer Messe noch nie so viele Neuheiten präsentiert und hatten noch nie ein so durchgängig positives Feedback: Die CAVITY etwa, eine schlichte, minimalistische, aber trotzdem weich fliessende Form, war für viele die interessanteste Leuchte der Messe. Die CRIB wurde von vielen als hoch innovative, aber auch preislich attraktive Leuchte angenommen. Mit der SLICE. haben wir ein erfolgreiches Produkt weiterentwickelt, das alle Anforderungen moderner Büroarbeitsplätze erfüllt und sehr gut ankam. Und REFLEX., eine Weiterentwicklung eines unserer Klassiker, wurde extrem gut angenommen. Wir haben erstmals auch Produkte gezeigt, die ursprünglich als Customized-Lösungen entwickelt wurden, die wir jetzt aufgrund des positiven Feedbacks von der L+B in die Serie aufnehmen und dieses Jahr noch ausliefern.

WELCHE LEUCHTE EURER KOLLEKTION LIEGT DIR BESONDERS AM HERZEN?

Ich halte die JONES Stehleuchte noch immer für eine unserer gelungensten Entwicklungen. Gemeinsam mit Prof. Uwe Fischer, der ja auch für andere namhafte Unternehmen in der Möbelbranche arbeitet, haben wir eine Leuchte entwickelt, bei der mit einem cleveren Flaschenzugmechanismus eine Synchronbewegung ausgeführt wird. Dabei ändert sich das Licht der Leuchte komplett – vom Leselicht über Ambientelicht bis hin zum Deckenfluter. Das ist im Markt noch immer noch eine herausragende Lösung für eine Stehleuchte.

WIE IST EUER PRODUKTZYKLUS INSGESAMT? KREATIVITÄT LÄSST SICH JA NICHT AUS DEM SCHRANK HOLEN. ENTWERFT IHR IM JAHR 3-4 LEUCHTEN, DIE DANN IM NÄCHSTEN JAHR AUF DEN MARKT KOMMEN?

Lange haben wir nur zwei bis drei Neuheiten jährlich präsentiert – nicht aufgrund mangelnder Kreativität, sondern wegen der Strukturen eines kleinen Unternehmens. Jetzt konnten wir sogar sechs Neuheiten präsentieren. Hauptverantwortlich ist dafür Felix Winkler, der unsere Produktentwicklungsabteilung einen gewaltigen Schritt nach vorne gebracht hat und mitverantwortlich für die Produkte ist, die jetzt auf den Markt kommen. Langfristig peilen wir etwa vier Neuheiten jährlich an.

BEI DER SPANNWEITE EURER KOLLEKTION KÖNNT IHR NICHT ALLES SELBST ENTWERFEN. HABT IHR EXTERNE DESIGNER, DIE MIT EUCH ARBEITEN? KOMMEN DIE ZU EUCH? NACH WELCHEN KRITERIEN WÄHLT IHR SIE AUS?

Wir bekommen viele Entwürfe unaufgefordert zugesandt. Mittlerweile haben wir ein gutes Gespür dafür entwickelt, welcher Entwurf zu uns passt und auf dem Markt erfolgreich sein kann: Es geht um einen souveränen Umgang mit dem Thema Licht, ein gutes Gefühl für Formen, Farben und Materialien und natürlich geht es auch um technisches Verständnis, beispielsweise für die Verstellbarkeit. Aus einigen Einsendungen entstehen Kontakte, mit denen wir gerne langfristig zusammenarbeiten möchten, anstatt nur einen einzelnen Entwurf abzukaufen. Wir wollen der Kollektion durch externe, auch jüngere Designerinnen und Designer einen weiter gefächerten Charakter geben. Alle Entwürfe gehen aber immer noch durch unsere Hände, sie durchlaufen eine Art Designfilter bei uns und tragen deshalb immer die Handschrift unseres Unternehmens.

IHR VERTREIBT IN GANZ EUROPA, HAUPTSÄCHLICH DEUTSCHLAND, SCHWEIZ, ÖSTERREICH, FRANKREICH, BENELUX. SIND ASIEN ODER NORD-AMERIKA FÜR EUCH ZUKÜNFTIG AUCH RELEVANTE MÄRKTE?

Wir vertreiben europaweit flächendeckend, konzentrieren uns aber vor allem auf D-A-CH und die Benelux-Länder und haben gute Handelspartner in Frankreich. Der mediterrane Raum spielt heute eine kleinere Rolle; dort hatten wir früher eine stärkere Präsenz. Von Asien bis nach Südamerika haben wir zwar interessante Partner, aber keinen flächendeckenden, professionellen Vertrieb. Den würden wir gerne weiter ausbauen und so eine Umsatzsteigerung erreichen, ohne zusätzliche Investitionen in die Produktvielfalt stecken zu müssen. Wir sind also durchaus an Kooperationen in Asien und Amerika interessiert.

DESIGNER-LEUCHTEN SIND TEUER. WIE SOLLTE MAN EINEM POTENTIELLEN KUNDEN, DER MIT SEINEM GELD SPARSAM UMGEHEN MÖCHTE, ERKLÄREN, DASS ES SICH LOHNT, SOLCHE LEUCHTEN ANZUSCHAFFEN?

Ich predige nicht, dass es immer teure Designer-Leuchten sein müssen! Man kann seine Räume mit entsprechender Sensibilität auch mit billigeren Leuchten gut ausleuchten. Die Lebensdauer unserer Leuchten ist aber sowohl technologisch als auch gestalterisch wirklich herausragend: Viele Kunden nutzen unsere Leuchten noch nach 30 Jahren und diese funktionieren noch wie am ersten Tag – technologisch, aber auch im Hinblick auf ihre Lichtwirkung und Ästhetik. Gerade im gewerblichen Bereich geht es nicht nur darum, die günstigsten Teile einzusetzen, sondern diejenigen, die sich langfristig in Bezug auf Materialqualität, Energiekosten, Temperatur oder Lichtwirkung bewähren. Wer hier falsch beraten wurde, hat mit Billigprodukten dann an der falschen Stelle gespart und höchstwahrscheinlich schlechte Lichtqualität in seinen Räumen.

IST LICHT IN DER WOHNUNG NUR SO ETWAS WIE EINE KRAWATTE ZUM ANZUG?

Eine Krawatte ist ein Mode-Accessoire, das die eigene Persönlichkeit unterstreichen oder ein Statusobjekt sein kann. Man kommt aber auch gut ohne sie durchs Leben. Eine Wohnung ohne Licht ist aber undenkbar: Licht hat immer funktionale, ästhetische und emotionale Aspekte. Es kann das Erscheinungsbild einer Wohnung komplett bestimmen, es ist wesentlich für das Wohlempfinden und bestimmend für unser Lebensgefühl. Gutes Licht ist in der Wohnung also viel mehr als ein modisches Accessoire – es ist wesentlicher Bestandteil unseres Lebens.