Seit 40 Jahren entstehen in einer Blechfirma in Rodgau Designer-Lampen, die auf der ganzen Welt zu sehen sind. Das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt widmet ihnen jetzt eine Ausstellung. Wir haben die Werkstatt besucht.

Von Tanja Küchle, veröffentlicht auf hessenschau.de 08.03.2024

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Eine knarzende Holztreppe führt bis unter das Dach des Firmengebäudes von serien.lighting, einem alten, roten Backsteinbau mitten im Rodgauer Wohngebiet. Jean-Marc da Costa, einer der beiden Unternehmensgründer, führt durch die kleine Modellbauwerkstatt mit Maschinen vom Bohrer bis zur Kreissäge. Auch wenn das Unternehmen inzwischen mehr als 30.000 Leuchten pro Jahr verkauft und davon etwa die Hälfte in die ganze Welt verschickt – immer noch werden hier die Prototypen in Handwerk hergestellt.

Vom Kofferbeschlag zum Lampendesign

Das haben die Designer Jean-Marc da Costa und Manfred Wolf ebenfalls hier von der Pieke auf gelernt, in diesem Gebäude, in dem das Unternehmen seit der Gründung vor 40 Jahren sitzt.

Damals waren sie noch Studenten der Hochschule für Gestaltung in Offenbach (HfG). Wo heute das Chefbüro ist, standen damals die Werkbänke der Metallwerkstatt des elterlichen Betriebes Wolf, in dem unter anderem Kofferbeschläge und Handtaschenbügel gefertigt wurden.

Start Up, bevor es den Namen gab

Hier seien sie öfter als an der Hochschule gewesen, erinnert sich Jean-Marc da Costa schmunzelnd, denn hier hätten sie dem Werkzeugmacher bei der echten Arbeit über die Schulter schauen und sehen können, „wie so was gemacht wird“.

Die folgende Unternehmensgründung von serien.lighting war die Diplomarbeit von Jean-Marc da Costa. „Also im Grunde ein Start Up, nur den Begriff dafür gab es noch nicht,“ sagt da Costa.

Unternehmertum war nicht erwünscht

Die Idee sei damals bei den Professoren der HfG gar nicht so gerne gesehen gewesen. „Die haben sich eher gewünscht, dass man im Studium so ganz frei entwirft, ohne irgendwelche wirtschaftlichen Zwänge.“

Üblich war damals als Designer beauftragt zu werden, die Herstellung des Produkts übernahmen andere. serien.lighting dagegen will von Anfang an alles vereinen.

Metallverarbeitung im Mittelpunkt

Eine der ersten Lampen ist die „Reflex“ von 1984. Markant daran ist vor allem das dreieckige Metallblech, dass an eine Art umgedrehtes Dach erinnert. Die Form stammt aus der seriellen Metallherstellung, so wie auch viele Formen späterer Entwürfe, erzählt Designer Jean-Marc da Costa.

In der Metallverarbeitung verwendete Bleche, Stäbe, Profile bildeten teilweise die Grundelemente der Leuchten oder wurden entsprechend bearbeitet. Das daraus resultierende Design ist schnörkellos und zurückhaltend, klare Linien und geometrische Formen dominieren.

Modell ZOOM – der bunte Hund

Das Modell „ZOOM“ ist eine der markantesten und auch am weitesten verbreiteten Leuchten im aktuellen Portfolio von serien.lighting. „Die ZOOM ist unser buntester Hund“, sagt da Costa.

Die Deckenlampe hängt im australischen Sidney ebenso wie in der Frankfurter Volksbühne und erinnert mit ihrer Zickzack-Umrandung in Kreisform an einen Kronleuchter.

Inspiration war ein Geldbeutel

Die Inspiration dafür lieferte der Geldbeutel der Mutter von Manfred Wolf, erzählt Jean-Marc da Costa. Das Säckchen aus Leder habe als Verschluss oben ein in Kreis gesetztes Scherengitter gehabt. Man kennt das Prinzip auch vom Rasier- oder Schminkspiegel, die man zu sich ziehen kann.

Für da Costa und Wolf war klar: eine einfache, aber faszinierende Mechanik, die sie auf eine Leuchte übertragen möchten, so dass die „Zoom“ ebenfalls variabel im Durchmesser verstellbar ist.

Seit vier Jahrzehnten „made in Rodgau“

Anders als viele andere, vermeintlich deutsche Leuchtenhersteller, die inzwischen zu großen Konzernen gehören und ihre gesamte Produktion nach Asien verlagert haben, lässt das mittelständische Unternehmen soweit möglich in Hessen, Deutschland oder zumindest Europa fertigen.

Die heute unerlässlichen LEDs beispielsweise werden nur in Asien hergestellt, woher sie auch Serien Lighting bezieht. Aber endmontiert werden die Bauteile im eigenen Betrieb in Rodgau oder in der Zusammenarbeit mit den Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Hainbachtal. Das Team umfasst derzeit rund 35 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Bereich Design, Produktentwicklung, Montage und Metallverarbeitung.

In der Region verwachsen

Da Costa und Wolf zieht es noch nicht einmal in die benachbarte Metropole Frankfurt. Diese Entscheidung habe nichts mit Ideologie zu tun, sondern mit ganz praktisch gewachsener Verbundenheit, sagt Designer und Unternehmer Jean-Marc da Costa.

Insbesondere sein Partner Manfred Wolf sei mit Rodgau stark verwachsen: „So lange wir diese Firma führen, werden wir nicht den Standort wechseln.“

Kultlichter und Sonderanfertigungen

Neben den Leuchten in serieller Fertigung für den Markt entwickeln die Designer da Costa und Wolf regelmäßig umfassende Beleuchtungskonzepte für Bibliotheken und Kitas, für Banken, Hotels und Ausstellungen.

Daneben machen die beiden auch Sonderanfertigungen, also Unikate, vor allem für Synagogen. Darunter sind sensible Kultlichter, wie Menora, Kaddish-Leuchter und Ewiges Licht.

Synagogen-Beleuchtung von Darmstadt bis Dessau

Die Zusammenarbeit mit dem Architekten Alfred Jacoby begann 1988 mit der Synagoge in Darmstadt, der ersten Synagoge, die in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder erbaut worden ist. Die jüngste Sonderanfertigung erleuchtet nun die 2023 eröffnete Synagoge in Dessau.

„Es ist eine große Ehre und macht uns beiden immer noch viel Spaß“, sagt Jean-Marc da Costa. „Wobei ich auch nach wie vor die Entwicklung serieller Produkte liebe.“ Serien Lighting eben.

Die Ausstellung
IN SERIEN – 40 Jahre serien.lighting
Licht. Form. Material.
Noch bis 21. April 2024
Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main

Öffnungszeiten

Mo geschlossen
Di, Do–So 10–18 Uhr
Mi 10–20 Uhr

Osterwochenende

Karfreitag 29.3.2024  10-18 Uhr
Ostersonntag 31.3.2024  10-18 Uhr
Ostermontag 1.4.2024  10-18 Uhr

Öffentliche
Führung

mit Manfred Wolf
10.04.2024  18.30 Uhr