Ewiges Licht – Sakrale Beleuchtung auf dem jüdischen Friedhof in Michelstadt

– ein Text von Manfred Wolf in LICHT 8/2023 –

Das Architekturbüro Prof. Alfred Jacoby entwarf eine Überdachung für die Pilgerstätte Jüdischer Friedhof in Michelstadt und betraute serien.lighting mit der Realisierung des ewiges Lichts. Für diesen besonderen Ort entworfen, kombiniert eine speziell entwickelte Sonderleuchte eine Glasröhre mit einem Davidsstern und einem Gehäuse aus Cortenstahl. Das geschützte Kulturdenkmal wird von Juden aus aller Welt aufgesucht.

Isac Löw Matthes Wormser, bekannt als Rabbi Seckel Löb Wormser wurde 1768 in Michelstadt als Sohn eines Tuchhändlers geboren. 1783 ging er für 5 Jahre nach Frankfurt an eine Jeschiwa – eine jüdische Hochschule – um sich unter anderem dem Studium der Kabbala, also der mystischen Tradition des Judentums zu widmen. Zurück in Michel-stadt leitete er dann eine eigene Jeschiwa und machte sich nach und nach einen Namen als Wunderheiler – eines Baal Schems. Diese Heilungen erfolgten durch Nennung von Gottesnamen, Bibeltexten, Gebeten und wohl auch durch Amulette oder Ringe.

BAAL SCHEM – KENNER DER GOTTESNAMEN

Dieser Ruf hat sich weit über den Tod des Seckel Löb Wormser als Deutschlands letzter jüdischen Wunderheiler gefestigt und sorgt bis heute für einen steten Strom von Besuchern an seinem Grab auf dem jüdischen Friedhof in Michelstadt. Dies sind bisweilen bis zu 1.000 Menschen, die sich dort einfinden Um sein Erbe und Grab zu schützen wurde daher vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden Hessen beschlossen ein schützendes Dach über der Grabstätte zu errichten. Beauftragt wurde das Büro von Prof. Didi. Architekt Alfred Jacoby aus Frankfurt, das sich mittlerweile in Deutschland mit vielen neu gebauten Synagogen einen Namen gemacht hat. Dazu zählen unter anderem die Bauten in Darmstadt, Heidelberg, Aachen, Kassel, Chemnitz und aktuell Dessau. Die Firma serien Raumleuchten GmbH, ansässig in Rodgau nahe Frankfurt mit ihren beiden Gründern und Designer Jean-Marc da Costa und Manfred Wolf, war in all den Jahren steter Begleiter, wenn es um den Entwurf und die Ausführung von besonderen kultischen Gegenständen, bei denen es um das Thema Licht ging. So wurden Kronleuchter, Jahrzeit-Lichter (die zum Todestag eines Menschen entzündet werden),
Menora (siebenarmige Leuchter – eins der wichtigsten religiösen Symbole des Judentums) und auch ewige Lichter gestaltet und produziert.

EWIGES LICHT

Sowohl in den katholischen Kirchen als auch den jüdischen Synagogen steht das Licht für die Verbindung mit Gott und seine stete Anwesenheit.
Es geht unter anderem auf Gottes Gebot an Moses zurück, im Bundes-zelt, das auf der Wüsterwanderung von Ägypten ins Gelobte Land die Tafeln der Zehn Gebote beherbergte, ein immerwährendes Licht leuchten zu lassen. An Grabstätten wird das ewige Licht leuchten lassen als Zeichen für die Auferstehung und das ewige Leben. Vor allem in der dunklen Jahreszeit spendet es Hoffnung und Trost. Es verbindet das Dies- und Jenseitige miteinander. Schon im alten Agypten und im römischen Reich waren Grablaternen ein unverzichtbarer Bestandteil von Trauerzeremonien. Sie sollten den Seelen den Weg leuchten auf ihrer Reise zum Licht.

NER TAMID – DAS HEBRÄISCHE WORT FÜR EWIGES LICHT

Ein solches Licht sollte auch das Gedenken an den Baal Scher in Michelstadt Ausdruck verleihen. Gefragt war ein Entwurf, der zur modernen Überdachung vom Architekturbüro Prof. Alfred Jacoby passte und gleichzeitig in Einklang mit der bedeutenden Pilgerstätte und dem Grab stand. Wie schon in Synagogen aus früherer Zeit üblich wurde eine abgependelte Ausführung gewählt. Die Wahl des Lichtes fällt verständlicherweise auf ein langlebiges und energieeffizientes Leuchtmittel unserer Zeit: LED.

ZEITLOSES MATERIAL

Der Entwurf zitiert in gewisser Weise die Flagge Israels. Ein zentraler Davidstern, der sich in der Mitte zweier Bänder befindet und als Symbol Für das Judentum steht Der Stern birgt im Inneren sechs lichter, die rot leuchten und den Blutsbund mit Gott symbolisieren. Gefertigt ist dieser Davidstern aus Cortenstahl, der sich selbst durch eine dichte Sperrschicht aus Sulfaten und Phosphaten unter der eigentlichen Rostschicht vor weiterer Korrosion schützt. Ein ideales Material, das neben einer zeitlosen Patina, die der Ort angemessen erscheint, dennoch eine dauerhafte Materialität aufweist. Dieser Stahl findet dann auch für die beiden Ringe und die Abschlüsse des Glasrohres Verwendung. Um Glasbruch durch widrige Umstände zu vermeiden besteht das Rohr aus UV-beständiger Klarem Acryl Da dieses Material einen relativ hohen Ausdehnungskoeffizienten im Vergleich zu reinem Glas aufweist wurde es mit Gummiringen zum Stahl hin gepuffert und abgedichtet.
Als Pendel wurde ein Edelstahlrohr gewählt, in der sich die Kabelführung des im Baldachin befindlichen und damit leicht zugänglichen Betriebsgerätes befindet. Zwischen Rohr und Baldachin wurde eine Federnde Verbindung gewählt, die sowohl Wind und Wetter als auch sonstigen Einwirkungen »ausweichen« kann.

BEDEUTUNGSVOLLE RUHESTATTE

Die Einweihung der Überdachung fand im Juli diesen Jahres im kleinen Kreis statt. Größeren Andrang wird es dann wie schon zuvor erwähnt zur Jahrzeit geben, dem Todestag von Seckel Lob Wormser, dem 13. September, der nach dem jüdischen Kalender auch auf ein anderes Datum nahe dem Todestag fallen kann. An diesem Tag werden Gebete am Grab gesprochen, aus der Tora gelesen oder auch nur kleine Steine auf das Grab gelegt unter denen sich auch Zettel mit Wünschen oder Anliegen befinden. Diese Wünsche werden dem traditionellen jüdischen Glauben nach vom Verstorbenen, der insbesondere am Todes Lag zur Ruhestätte zurückkehrt, mit in den Himmel genommen um die Anliegen an höchster Stelle vorzutragen.

Es bleibt zu hoffen, dass auch das Licht des Ner Tamid diesen Weg in die Ewigkeit findet.